Der Fluch der Siegel?

Siegel sollen beim Verbraucher genau eins wecken: Vertrauen. Doch hat man es heutzutage nicht leicht, sich im Siegel-Dschungel zurecht zu finden. Zudem wächst die Kritik an einzelnen Zertifikaten. Deshalb hat sich Oberlecker zwei der wohl wichtigsten Siegel einmal genauer angeschaut: Bio & Fair Trade.

 

Ökologisch erzeugte und fair gehandelte Lebensmittel sind in Deutschland angesagt wie nie zuvor. Nicht zuletzt durch verschiedene Ernährungsbewegungen, wie Vegetarismus und vor allem Veganismus, wird wieder genauer hingeschaut, was letztendlich im Einkaufswagen landet. 8,25 Milliarden Euro gaben die Deutschen im Jahr 2015 für Lebensmittel aus, die aus kontrolliert biologischem Anbau stammen, bei Fair Trade waren es sogar 9,78 Milliarden Euro. Bio-Produkte werden zu Massenwaren in Supermärkten und Lebensmitteldiscountern. Bananen sind das Fair Trade-Produkt Nummer 1.

Doch welches Bio-Siegel bedeutet was? Wie viel „Bio” steckt wirklich dahinter? Und ist Fair Trade auch wirklich fair?

Und ist Fair Trade auch wirklich fair?

Bananen sind das FairTrade-Produkt Nummer 1.

 

Bio ist nicht gleich Bio

Tatsächlich fällt es schwer im Siegel-Dschungel einen Überblick zu bewahren. Die Vielzahl an Bio- Siegeln impliziert ganz verschiedene Mindestanforderungen an die Produkte. Der wohl bekannteste Aufdruck ist jener, der von der EU herausgegeben wird. Die weißen Sterne auf hellgrünem Hintergrund gelten seit 2010 für Lebensmittel, die aus biologischer Erzeugung kommen. In Deutschland kann zudem auch das alte Siegel angewendet werden, um das Bio- Gewissen zu beruhigen und die Seriösität des Produktes zu erhöhen. Laut EU-Öko-Verordnung müssen die Inhaltsstoffe fertig verpackter Waren zu mindestens 95 Prozent aus ökologischem Anbau stammen. Nur dann dürfen sie die Bezeichnung „bio”, „öko” oder „aus kontrolliert biologischem Anbau” tragen. Die restlichen fünf Prozent werden auf anderweitige Anbautechniken aufgeteilt. Daraus resultiert, dass diese Waren bis zu 0,9 Prozent gentechnisch verändertes Material enthalten können.

 

Obwohl den Herstellern grundsätzlich der bewusste Einsatz von Gentechnik verboten ist, wird ihnen dennoch eine Toleranzschwelle zugestanden. Verglichen mit den 95 Prozent biologischen Materialien erscheint dieser Prozentsatz gering, dennoch verändert er das Produkt maßgeblich. Zudem handelt es sich bei den EU-Vorgaben nur im Mindestanforderungen, der Tierschutz wird kaum geregelt. Genau das wird von Organisationen, wie Foodwatch, kritisiert. Letztendlich kann es bedeuten, dass sich die Zustände auf den Biohöfen nicht groß abheben von jenen in der industriellen Tierhaltung. Die Hörner werden gestutzt, die Tiere auf engem Raum gehalten und die Fütterung mit gentechnisch verändertem Futter ist erlaubt.

 

Dennoch bezahlen die Verbraucher bis zu 42 Prozent mehr für Produkte mit Biosiegel. Kann man dann diesem Siegel vertrauen, wenn es doch nur den kleinsten gemeinsamen Nenner und gewisse Bereiche gar nicht regelt?

Ist es einfach nur „Bio light” für das gute Gewissen? In Deutschland versuchen private Biosiegel von Ökoverbanden die Qualität der Produkte zu sichern. Der Unterschied zwischen europäischen und nationalstaatlichen Richtlininen wird dabei im Bereich der Tierhaltung sehr deutlich. Was in der EU als „artgerecht” definiert wird, würde bei demeter, Bioland und Naturland durchfallen. Landwirte, die sich auf EU-Richtlinien berufen, können so beispielsweise doppelt so viele Tiere der pro Fläche erlaubten Legehennen oder Masthühner halten, als die drei wichtigsten deutschen Ökoverbände zulassen. Auch die Entfernung der Schlachthöfe ist in den EU-Richtlinien nicht definiert. Während Bioland, demeter und Naturland Transporte auf maximal vier Stunden oder 200 Kilometer festlegen, können Tiere aus europäisch-biologischer Tierhaltung nach den Vorschriften auch eine Fahrt durch halb Europa hinter sich haben. Zudem kosten die Zertifizierung und regelmäßigen Kontrolltermine Geld - etwas, was sich vor allem Kleinbauern nicht leisten können.

 

Fair gehandelt

Ein Clou für viele Verbraucher ist es, wenn das Produkt nicht nur aus ökologischer Produktion stammt, sondern auch noch fair gehandelt wurde. Der faire (Welt-)Handel hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt. Während die Produkte in den 1970er Jahren zunächst mit fair gehandeltem Kaffee recht überschaubar waren, zieren heute mehr als 1000 Produkte in Deutschland das Fairtrade-Siegel und der Markt wächst weiter. Bis zu 20 Prozent mehr gehandelte Fairtrade-Produkte konnten in den letzten Jahren verzeichnet werden. Ethisch korrekt hergestellte Produkte, bei denen Arbeits- und Produktionsbedingungen kontrolliert und zertifiziert werden und bessere Handlungsbedingungen zwischen Erzeuger und Händler (zumeist zwischen Schwellen- und Entwicklunsgländer) etabliert werden, sind mit Sicherheit ein Gewinn für den Welthandel. Die Erzeuger haben dadurch die Möglichkeit, langfristig zu planen, was ihnen auch eine finanzielle Sicherheit gibt. Garantierte Mindespreise und Prämien sichern das Einkommen und den Lebensunterhalt. Zudem berät die Organisation. So können längerfristige Verbesserungen der Produktionsbedingungen erfolgen.

 

Dennoch werden auch hier enige Kritikpunkte an der Siegelvergabe deutllich. So müssen Produzenten und Betriebe wieder erst einmal Geld investieren, um sich zertifizieren zu lassen. Diese Zusatzkosten sind für Kleinbetriebe kaum zu stemmen, weshalb sie eher durch das Raster fallen. Zudem erhält die Organisation, die das Siegel vergibt, einen prozentualen Anteil an dem Erlös der Produkte. Auch verschiedene Zwischenhändler verdienen noch etwas daran. Darüber hinaus lassen sich Schwachstellen in der Transparenz zu Herkunftsangaben und -mengen zwischen einigen Herstellern und Verbrauchern ausmachen. An diesen Punkten arbeitet die Organisation bereits, um den Kunden mehr Sicherheit beim Kauf zu geben.

 

Siegel oder kein Siegel?

Schon Hamlet fragte sich das... in einer etwas anderen Konstellation. Siegel haben durchaus ihre Vorteile. Schließlich versprechen sie Verbrauchern eine Mindestanforderungen an Qualitätsmerkmalen in Bezug auf Herstellung und Erzeugung. Sie geben Aufschluss über Art und Herkunft und weisen Produkten eine Richtung zu. In der meist unüberschaubaren Warenauslage von Supermärkten und Discountern ist es ein guter Anhaltspunkt für den Verbraucher. Dennoch zeigt sich auch, dass Siegel nur richtungsweisend sind. Wer absolute Sicherheit will, muss sich auf andere Quellen verlassen. Am besten erscheint hier immer noch die Transparenz - das Einkaufen vom Bauern von nebenan. Und da wird man das Siegel oftmals nicht finden, da Kleinbetriebe an den laufenden Zertifizierungskosten scheitern.

Wer absolute Sicherheit will, muss sich auf andere Quellen verlassen - das Einkaufen vom Bauern von nebenan.

Viele Kleinbauern aus Norddeutschland betreiben integrierte biologische Landwirtschaft frei von Gentechnik - ganz bewusst und ohne Siegel.

Daher muss man sich die Frage stellen, ob Siegel wirklich wichtig sind, wenn man das Produkt und den Erzeuger (persönlich) kennt? Was macht gutes Fleisch denn eigentlich aus? In der Regel fängt es bei der artgerechten Haltung an und lässt sich über die Fütterung weiterführen. Viele Landwirte haben heute diesen Nischenmarkt wieder für sich erkannt. Qualitativ hochwertiges Fleisch, das ohne Gentechnik produziert wird, steht auch für viele Verbraucher wieder auf der Einkaufsliste. Leider bieten Supermärkte und Discounter kaum die Möglichkeit, genaue Informationen über Aufzucht und Futter der Tiere zu erhalten. Statt blind einzukaufen versuchen daher einige Händler, die Biografie des Essens wieder aufleben zu lassen.

 

Oberlecker:Wer absolute Sicherheit will, muss sich auf andere Quellen verlassen - das Einkaufen vom Bauern von nebenan.

Auch Oberlecker hat sich diesem verschrieben. Genaue Kontrollen der Betriebe sollen den Kunden die Gewissheit geben, dass die Tiere artgerecht gehalten und biologisch gefüttert werden. Oberlecker-Gründerin Laura Gertenbach besucht deshalb persönlich die Höfe, um sich ein Bild zu machen. Als Tochter eines Landwirts ist sie schon früh in Kontakt mit der Tierhaltung und -schlachtung gekommen. Dieses Wissen hilft ihr jetzt weiter, die Betriebe richtig einzuordnen und Kooperationen zu starten. Zudem möchte sie kleinen Landwirten eine Plattform geben, um ihre Produkte zu verkaufen. Statt Siegel-Bürokratie gibt es bei Oberlecker noch richtigen Kontakt zwischen Erzeuger und Händler. Ihr Ziel: Echtes Fleisch mit vollkommenen Geschmack. Dafür hat sie Oberlecker ins Leben gerufen.

Erfahrt hier mehr über unsere Geschichte und unsere Höfe.

 

Seid am nächsten Mittwoch um 16:00 wieder dabei. Wir freuen uns auf Euch in unserem Vier Uhr Magazin

Bildnachweis: www.pexel.com

Für Fragen, Kommentare: hilfe@oberlecker.com